Bericht: Susanne Vollmer, Officier (Bailliage Munich & Haut-Bavière)

Bilder: Erich Vargas, Vice Chargé de Missions

1 – Mittwoch, 29.5.24

Eine Reise der Chaîne de Rôtisseurs, Bailliage Bavière Orientale (Regensburg) unter der Leitung von Kirsten und Hartmut Wolff

Zwei Hauptstädte in von uns bisher nicht bereisten europäischen Staaten stehen auf dem Reiseplan: Tallinn in Estland und Helsinki in Finnland. Kirsten und Hartmut planen wundervolle Reisen, gespickt mit allerhand Überraschungen und so starten wir mit großer Vorfreude in aller Früh zum Flughafen in München, wo wir auf die Regensburger Teilnehmer treffen.

Großes Hallo allerseits, die meisten Teilnehmer kennen wir von diversen Veranstaltungen und beginnen die gemeinsamen Tage mit munterem Geplauder trotz der frühen Morgenstunde.

Wieder einmal deutliche Verspätung beim Abflug, der Captain sagt „Personalmangel am Boden“. Nachdem wir es doch praktischer finden mit unseren Koffern zu reisen, warten wir, auch in Ermangelung jedweder Alternative, geduldig über 50 Minuten im Flieger, während das Gepäck mit aller Ruhe, Stück für Stück mit großem Getöse, in den Bauch des Flugzeugs geworfen wird. Endlich, 9:40 h starten wir dann doch mit der Baltic Air bei frischem Frühsommerwetter in München. 1548 km nach Tallinn, wir schweben durch zarte Schleierwolken über die bayrische Landschaft und schon liegt die Ostsee unter uns. Bei örtlich äußerst ungewöhnlichen, sommerlichen 28 Grad Begrüßung unserer estnischen Reiseleiterin Katrin und des Busfahrers Andres. Zwei weitere Reisefreunde sind sicher mit eigenem Flugzeug eben gelandet und ergänzen nun unsere Gruppe.

Durch die Stadt an die See, die Ostsee, mit einer kleinen geschichtlichen Einführung. Das „Lübecker Stadtrecht“ galt hier bereits seit dem 13. Jahrhundert. Eine durch vielerlei Handel wohlhabend gewordene Stadt, insbesondere auch durch das alte Recht des Adels köstliche Schnäpse zu brennen. In allen Zeiten wurde damit viel Geld verdient und in prächtigen Bauten angelegt. Ja, logisch, auch hier alles UNESCO-Weltkulturerbe.

Wir hören von der bewegten Geschichte, von der Blüte des Mittelalters bis zur aktuellen Sorge wegen des nicht kalkulierbaren russischen Nachbarn. Bauwerke im „Stalinistischen Klassizismus“ der 50ger Jahre ziehen sich entlang der Straße vom Flughafen in die City. Die Kastanien stehen noch in voller Blüte und duftende Fliederdolden hängen über altem Gemäuer.

Im Fährterminal werden wir im „Ocean 11“ erwartet, einer hoch über dem Meer gelegener Holz-Glas-Stahlkonstruktion mit schöner Terrasse und Blick aufs Wasser.

„Tervitused“, also Prost und Willkommen in Estland. Die Sonne brennt, wir suchen Schatten und beobachten die riesige Fähre, die in den Hafen herein stampft. Durch die Flugverzögerung hängen wir etwas im Programmablauf nach und nehmen zügig an der langen Tafel Platz. Lachs auf Salat und Risoni mit feiner Soße, zum Dessert ein köstlicher Cheesecake, unterspült von einem Grauburgunder, geht schon gut los.

Vom Domberg blicken wir über die bunten Dachlandschaften der mittelalterlichen Altstadt und über hohe Kirchtürme hinaus aufs Wasser über dem sich schwarze Wolken zu dräuenden Gebilden formen. In dichten grauen Bahnen rauscht der Regen dort draußen herunter. Gewitterwolken grummeln über der Stadt, doch außer einigen Windböen, die einen reichen Regen an klebrigen Kastanienblüten und „Nasenzwickern“ der Ahornbäume auf uns herab regnen, bleiben wir weitgehend vom Wettergeschehen verschont. Wir wandern durch die Gassen, hinunter zu der imposanten Stadtmauer aus dem 13.Jahrhundert und hören spannende Geschichten aus der bewegten Vergangenheit. Hinunter zum Rathausplatz und hinein ins alte Rathaus, wo uns im Saal „Thomas“, ein Stadtsoldat und Torwärter im Kostüm des 16. Jahrhunderts, in launigen Worten von den Erlebnissen und Heldentaten seines Lebens berichtet. Sein Ebenbild ziert auch heute noch als Wind- und Wetterfahne das Dach des Rathauses und gab bereits in alter Zeit den Seglern in der Bucht wichtige Anzeigen für die windbedingt, günstigste Ausfahrt aus der Bucht.

Ein malerisches Sammelsurium von Baustilen, Farben und Formen, Restaurants, Souvenirshops, Handwerk, Kunst und Kneipen. Die Gasse der Bäcker, es duftet ganz köstlich und jetzt fallen doch noch einige Tropfen auf uns herab. Mit dem Bus ins „Swiss Hotel Tallinn“, alles ist schon vorbereitet, rasch die komfortablen Zimmer beziehen und etwas ruhen, um 19:30 h geht es weiter.

„Gloria“, das „Dancing Paris“ vergangener Tage, erbaut 1937 in einem bunten Stilmix aus Belle Epoque, Art Deco und nordischem Jugendstil. Über eine breite Treppe erreicht man den Ballsaal, in dem für uns runde Tische festlich gedeckt sind. An den Wänden drehen sich leicht begleitete Damen in Gipsreliefs, die Decke ist verspiegelt und die kleine Bühne bietet alle denkbaren Möglichkeiten. Vor dem Saal, links und rechts diverse Séparées, deren mächtige rote Samtportieren in attraktiven Falten zurückgebunden sind. Leicht können wir uns vorstellen, wie während des Kriegs die deutschen Offiziere und während der Sowjetzeit die Russen dieses Etablissement für allerhand Belustigungen genutzt haben. Heutzutage schmückt sich das Gloria durchweg mit berühmten Gästen, wie Papst Johannes Paul der Zweite, Jacques Chirac und sogar Sting hat hier wohl schon getafelt.

Wir werden mit zwei Damen bekannt gemacht, die sich mit dem „Marketing Estonia“, dem „Foodtourism“ und dem Michelin Sterne System in Estland beschäftigen. Die Gastronomie in Estland hat in den letzten fünf Jahren richtig Schwung genommen und heute gibt es im ganzen Land verteilt eine Menge Restaurants, deren engagierte Köche von Michelin begutachtet werden. Die Damen sind sehr stolz auf diese Entwicklung und womöglich ist unser Besuch der Anlass, eine Chaîne de Rôtisseur in Estland zu begründen. Wir sind gespannt.

Das Viergangmenü ist liebevoll durchdacht und perfekt serviert. Blinis mit Lachs, eine schaumige Kürbissuppe, Ente mit wunderbarer Soße und marinierter Apfel auf Sahne. Dazu ein Chardonnay aus Kanada, ein Primitivo aus Apulien und ein Pfälzer Süßwein. Ein wenig wundern wir uns über die winterliche Auswahl der Gänge. Draußen ist es sommerlich, gut, innen bekommen wir davon wenig mit und zur Atmosphäre glanzvoller vergangener Zeiten passt das Menü sehr gut.

Mit Einsetzen der Dämmerung um 23:30 Uhr kehren wir ins Hotel zurück, nehmen noch kurz den Unmut des Busfahrers mit, dass ihm das heute viel zu lange gedauert hat. Ja, das war ein langer und äußerst erlebnisreicher Tag und ich steuere sofort unser Zimmer an, auch wenn Schorsch und einige Freunde noch auf dem Rooftop das Glitzern der Lichter über der Stadt mit einem Absacker in der Hand bewundern.

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2-Donnerstag, 30.5.

Der morgendliche Blick aus dem 25. Stock über den finnischen Meerbusen tröstet die immer noch müden Glieder beim Aufstehen. In internationaler Grossstadtatmosphäre feines Frühstück mit diversen sauren Fischen und Blick über spiegelnde Glasfassaden der Hochhäuser hinaus aufs Wasser. Die Sonne scheint bei 25 Grad, wir starten um 9 h, mit der Zeit sind sie hier eine Stunde voraus.

„Tere hommikust”, Guten Morgen Katrin und Andres. Die Stimmungslage unseres Busfahrers scheint erfreulicherweise wieder stabil.

In unmittelbarer Nähe zum Hafen schlendern wir durch das noch morgendlich verschlafene Rotermann-Viertel. Ein ehemaliges Industriegebiet, in dem die Familie Rotermann seit Mitte des 19. Jahrhunderts alles mögliche hergestellt, produziert und vertrieben hat. Es wurde Schnaps gebrannt, Mehl gemahlen, Unmengen Salz gelagert und diverse Baumaterialien gehandelt. Sogar das erste Autohaus Estlands stand auf diesem Gelände und in der größten Brotfabrik des Landes wurde noch bis vor 40 Jahren Brot für die Stadt gebacken. 1944 flieht Rotermann endgültig nach Schweden und bis eben auf diese Brotfabrik verfällt alles ziemlich schnell. Die sowjetische Besatzung verwandelt das blühende Industrie-Viertel in eine verkommene Brache. Erst nach der Wende nahm das Gelände wieder Schwung auf. Heute streifen wir durch dieses erstaunliche Viertel, in dem sich bekannte Architekten Denkmäler schufen. Vergangenheit und Zukunft werden munter gemischt. Futuristische Techno-Architektur stülpt sich über ein abgehalftertes Industriedenkmal und füllt es wieder mit vielfältigen Leben.
Dort, wo früher Brot gebacken, Bretter gehobelt oder Schnaps gebrannt wurde, treffen sich heute die Menschen zum Einkaufen und Flanieren, wohnen und arbeiten hier. Hypermoderne Gebäude wachsen zwischen alten Industriekomplexen in den Himmel, allerdings nicht höher als 24 m, das wäre dann doch unzulässig. Die Arbeiter und Handwerker von einst sind längst weggezogen, dafür haben hippe Kreative das Rotermann Viertel übernommen.

Die Materialien, die in den neuen Häusern verbaut werden, fügen sich harmonisch ins historische Ambiente. Backstein sowieso, der wurde ja an vielen Orten in Tallinn vermauert. Aber auch der samtig-braun und rot korrodierte Stahl passt bestens zur Nähe des Hafens und zur Seefahrt. Bodenwellen zwischen den Häusern scheinen die bewegte See zu symbolisieren und spitz zulaufende Hausecken formen aus behäbigen Steinmassen geradezu schnittige Ozeanriesen.

Der Markt am Baltischen Bahnhof, unter den gefalteten Eisendächern der historischen Eisenbahnhallen lohnt einen Besuch. Zur Zarenzeit wurden Loks und Wagons gebaut, luxuriös ausgestattet und gegebenenfalls auch wieder repariert. Heute findet sich hier ein bunter Markt auf drei Etagen, in dem es von Schokolade über Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch bis zu Kleidung und „Antiquitäten“, alles gibt was das Herz begehrt. Die Preise sind hoch, liegen sogar noch über dem Münchner „Viktualienmarktniveau“. Das Kilo Erdbeeren für 18€? Tomaten, das Kilo zu 8€?

Mit dem Bus zwängen wir uns durch die schmalen Straßen des „Kalamaja“ Viertels, das heute noch wie eine gemütliche Vorstadt aussieht. Grüne, weiße, rote und braune Holzhäuser aus der Zeit um 1900 stehen hier. Mehrfamilienhäuser mit schlichten Grundrissen, aber schönen Fassaden und prächtig blühenden Gärten. Die Bewohner lebten einst eng zusammen. Jede Familie hatte nur ein Zimmer, die Toilette war auf dem Flur und die Wäsche wurde im Hof gewaschen. Lohn und Brot boten der Schiffsbau, die Fischerei oder die Seilerei, was man heute noch an den Straßennamen erkennen kann. Neuerdings ein echtes Hipsterviertel in der boomenden Stadt.

Wir bummeln durch das „Noblessner“ Viertel, direkt neben dem Hafen für Wasserflugzeuge. Der Name entstand aus der Zusammenziehung der Namen Nobel und Lessner. Tatsächlich war dieser Robert Nobel ein Neffe des berühmten Nobelpreisträgers: er erbaute eine erste Raffinerie in Sankt Petersburg, 1878 löste er mit dem Bau der ersten Pipeline in Russland das logistische Transportproblem des „Leuchtöls“ und schloss 1898 bereits einen Vertrag mit Rudolf Diesel. Sicher einer der erfolgreichsten und wohlhabendsten Geschäftsmänner seiner Zeit. Sein Partner Lessner hatte bereits ein Vermögen mit der Entwicklung und dem Verkauf von Torpedos gescheffelt. Aus der alten U-Boot-Werft und der Torpedogießerei ist dieser Stadtteil entstanden und heute ein angesagtes Ausgeh- und Künstlerviertel. Das moderne Tallinn findet man hier und das direkt am Wasser.

In der „Põhjala Brauerei“ werden wir in einem liebevoll renovierten Industriegebäude zum Knusper-Imbiss und zur Verkostung der Craftbiere erwartet. Wir tunken diverse frittierte und rohe Gemüse in würzige Soßen und knabbern an Dörrfleisch und Käse. Ein engagiertes Team junger Brauer, mit interessanten Tatoos und Piercings an allen möglichen Körperstellen, widmet sich mit Leidenschaft der Braukunst. Jährlich produzieren sie zwischen 1,2 bis 1,5 Millionen Liter Bier. Wir nehmen am Grundkurs im Bierbrauen teil, schnuppern an Hopfen, Malz und Röstaromen, besichtigen die blitzblanken Anlagen und verkosten tapfer „Lager“, „Öö“, „Kosmos“ und „Salted Plum Sour“. So ganz erschließt sich uns nicht, warum man neben einem kühlen, guten Schluck Bier, diese doch für uns eher gewöhnungsbedürftigen Sorten benötigt, aber anscheinend sind sie sehr erfolgreich mit ihrer Produktion.

Unser gemeinsames Programm hat nachmittags eine Pause, bevor es um 19:15 Uhr weiter geht zum Dinner. Jeder macht so, was er möchte: den Dom, das Wahrzeichen Tallinns besuchen und die zahlreichen Schnitzereien und Bilder an den Wänden bestaunen, durch die Altstadt streifen und das Künstlerviertel und das kunstreiche Museum in der Nikolaikirche besuchen oder in Cafés und kleinen Kneipen sitzen und sich einfach an dem Sommertag in Tallinn freuen. Shoppen, staunen, genießen, einfach nur Freizeit in der wunderschönen und estnischen Hauptstadt.

Im einzigen **Sterne Lokal des Baltikums , dem 180 °, werden wir heute zum Abendessen erwartet. Schorsch und ich läuten den Abend mit einem köstlichen Drink und traumhaftem Blick über die Stadt und den Fährverkehr in der coolen Hotelbar im 30. Stock ein. Weit geht der Blick über das blaue Wasser, etliche Segler kreuzen in den Abend und der Himmel verwischt zartblau mit der Wasserlinie.

Matthias Dieter begrüßt uns in seinem schicken Gourmettempel am Meer mit einem Glas Champagner und erzählt ein wenig aus seinem spannenden Werdegang. Mit einem Praliné aus weißer Tomatenessenz in würzigem Parmesan gewälzt, einer Gänseleber -„Hanuta“-Waffel, einem kleinen Kartoffelsalat „German Style“ und einem winzigen Wolfsbarschgang auf Linsentatar und Balsamicoschaum beginnen wir den Abend.

Am Tisch wird ein köstliches Viergangmenü serviert, jeder Teller mit großem Können und Liebe zum Detail gestaltet. Stör mit Kaviar, Hummer mit einer wahnsinnig guten Soße, Kalbsfilet und Bries und zum Dessert eine wilde Komposition aus karamellisierter weißer Schokolade, Birnen und Haselnüssen. Ein Chenin Blanc von der Loire, eine Rosé aus der Provence, ein Roter aus Argentinien und ein Süßwein aus dem Veneto runden das Essen ab. Es folgen einige Petit Four und Kaffee, was für ein toller Abend.

Unfassbar schön ist das Licht am Himmel, es wird und wird nicht dunkel. Die Sonne arbeitet sich millimeterweise an den Horizont heran und veranstaltet während dieser Stunden wahre Beleuchtungsspektakel am Himmel. Boote laufen ein, Leute sitzen in kurzen Hosen in einer gegenüberliegenden Kneipe, Kinder spielen an der Mole. Als wir um 23:15 das Lokal verlassen hat es noch 21 ° und die Dämmerung setzt nun doch allmählich ein.

Ein großartiger Tag findet in der Rooftopbar einen würdigen Abschluss und noch immer ist im Westen der Himmel mit einem roten Streifen dekoriert.

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3 – Freitag, 31.5.

Um 9 h sitzen alle im Bus, unser Ziel ist der Nationalpark Lahemaa, auf Estnisch „Land der Buchten“. Direkt an der Küste gelegen, bietet die etwa 750.000 ha große Fläche, wobei etwa ein Drittel auf Seegebiete entfällt, Fauna und Flora Schutz vor den Zugriffen der Zivilisation. Fischerdörfer, Hochmoore, weite Waldgebiete und prächtige Gutshöfe liegen in diesem Naturschutzgebiet.

Aus dem Ural kamen die Völker, die die Finnisch-Ugrischen Sprachen mitbrachten, zu denen auch Estnisch zählt. Mit heiteren Geschichten führt uns Katrin in einem kurzen Sprachexkurs in die Grammatik und die diversen Dialekte der baltischen Staaten, inklusive Finnlands ein. Sie liest uns wehmütige Strophen aus alten Gedichten des Nordens vor und gibt Empfehlungen für preisgekrönte Literatur. Sie erzählt von der Sowjetzeit, von den Schwierigkeiten damals eine Wohnung zu bekommen, von all‘ den komplizierten Lebensbedingungen, die sich erst mit der Wende allmählich auflösten. „Geschickt sein wie eine Schlange“ hieß das Motto, um das tägliche Leben zu bewältigen.

Schnurgerade führt die E 20 durch lichte Laub- und Kieferwälder nach Osten. Kleinere Gehöfte ducken sich zwischen Büschen, schmucke Dörfer schmiegen sich um die Kirchtürme. Die Sonne lacht wieder vom Himmel und bietet sommerliche 25 °.

Elche, Bären, Wölfe und Wildschweine leben beständig hier. 1000 verschiedene Vögel, Enten und Gänse ziehen über die Bucht oder sind ganzjährig an der Küste heimisch. Erster Stopp in dem historischen Fischerdorf Altja mit alten, Reet gedeckten Häuschen. Ein zauberhafter kleiner Spaziergang durch die Welt der Findlinge führt in wenigen Minuten an den Strand. Als hätten Riesen Ihr Spielzeug achtlos im Wasser und am Ufer liegen lassen. Kleine Inseln liegen vor der Küste und mystischer, weißer Dunst zieht über den weitläufigen Strand.

Wir allerdings, begegnen heute in erster Linie hungrigen Moskitos und freilich habe ich das Mückenspray dabei, aber freilich auch im Koffer im Hotel. Gute Planung. Der Weg durch die Findlinge bleibt für den ein oder anderen nicht ganz unfallfrei, aber glücklicherweise verläuft alles glimpflich. Die Fliederbüsche tragen üppige Dolden, die Heckenrosen mit ihren zyklamfarbenen Blüten überziehen alles mit ihrem Duft und die feinen Blüten des Wiesenkerbel schimmern in der Sonne.

Wir sind heute früh dran, also legen wir noch einen Zwischenstopp im Gutshof „Sagadi mõis“ ein. Ein prächtiges, rosafarbenes Herrenhaus, zu dem eine gerade Blickachse vom Torbogen hinführt. In den ehemaligen Stallungen zur Linken befindet sich heute ein Hotel, im alten Speicher zur Rechten ein Waldmuseum. Alles ist im Staatsbesitz und „dennoch“ ist es hübsch hier und Flieder und Mohn blühen in schrillen Farben. Wir spazieren zum schattigen Teich, schwingen ein wenig auf den in den Baumriesen hängenden Schaukeln auf und ab und genießen die würzige, milde Ostseeluft.

Seit gestern ergänzen Olita und Hans-Henrik unsere Gruppe. „Aha“, denke ich, „ein sympathisches Paar aus Riga. Wie kommen die denn zu der Regensburger Gruppe?“ Das löst sich heute rasch auf, denn ihnen gehört der hinreißend schön gelegene und liebevoll restaurierte Gutshof „Vihula“, der unser nächstes Ziel ist. Wir werden mit kühlen Getränken vor dem Gutshof auf dem Rasen empfangen, die hohen Bäume spenden Schatten, und etliche Störche kurven schwungvoll über unseren Köpfen herum und steigen kurz danach lautstark ins „Klappergeschäft“ ein.

Olita und Hans-Hendrik „outen“ sich und erzählen von ihrem durchaus verrückten Projekt. 2008 erwarben sie als erfahrene Gastronomen und Hoteliers das völlig herunter gewirtschaftete, marode Gut mit allen Nebengebäuden und ca. 42 ha Fläche. In nur wenigen Jahren zogen sie die Restaurierung durch, 2012 wurde bereits wieder eröffnet. Heute bieten 85 elegante Zimmer und zahlreiche, best ausgestattete Fest- und Seminarräume unzählige Nutzungsmöglichkeiten. 100 Mitarbeiter kümmern sich um das „Daily Business“, die beiden schalten und walten von Riga aus täglich mit. Wir spazieren durch den Park, besichtigen bereits festlich gedeckte Tische, besuchen den eleganten SPA-Bereich, schlendern durch das private Automobilmuseum und werden im Garten und im Innenbereich von gierigen Mücken beinahe aufgefressen. Alle wedeln mit Armen und Händen herum und versuchen unbedeckte Körperteile mit irgendetwas zu bedecken. Weitgehend vergebliche Mühe, denn die Nähe zum Wasser, ist einfach die Heimat der Mücken. Ganz klar, die Mücken waren zuerst da.

Mit den dicken weißen Blüten des Schneeballs, den lila Kugeln des Allium und duftendem weißen Flieder sind die rustikalen Tische im Freien gedeckt. Der reizende Service schleppt Platten mit gegrillten Spezialitäten an. Auf den Tischen gibt es reichlich Gemüse, Salat und dazu diverse Soßen. Alles fein und hausgemacht. Ein Musikant unterhält uns mit seiner Ziehharmonika während wir die Köstlichkeiten verputzen und etliche Flaschen portugiesischen Weißweins leeren.

Eine bestens restaurierte Wassermühle, der weite Teich, an dessen Ufer kleine Boote dümpeln, neue kleine Gästehäuser, deren Außenanlagen eben fertig gestellt werden, was für ein Paradies. Nicht zu vergessen, das Wodkamuseum, in dem sich Hunderte von unterschiedlichen Flaschen befinden. „Hunderte?“, frage ich, „Wodka schmeckt doch irgendwie immer gleich?“ Das stimmt wohl, doch es geht beim Wodka eher um berühmte Marken und die jeweiligen Geschichten dahinter. Selbstredend verkosten wir ausgiebig, die Geschichten wie den Schnaps. „Ja, zack jetzt, nicht so zimperlich und in einem Schluck hinunter“. Man darf nicht lange fackeln, so ein Glas muss zügig geleert werden. Warum? Na, weil es halt so gemacht wird. Brrrr, zumindest leicht ungewohnt.

Erschöpft und glücklich plumpsen wir in den Bus und fahren zurück nach Tallinn, immerhin 1,5 Stunden Pause.

19:30 h im „Noa“, tolle Location mit Blick aufs Meer und zurück auf Tallinn, das sich eben eine Dunstmütze überzieht. Empfang auf der Terrasse, wir bewundern die Glaskonstruktion der Wintergärten und schließen daraus, dass weiß Gott nicht immer so wundervolles Sommerwetter ist, wie an diesem Wochenende. Ringsum duften Blütenmeere, auf den Steinen im Niedrigwasser stehen Möwen und Reiher und beobachten die Wasseroberfläche.
Hier kocht ein Dreierteam: Heinrich Lils, Tõnis Siigur und Roman Sidorov, und das mit Erfolg, denn ein Michelinstern schmückt bereits den Eingang. Cooles Lokal, super netter Service: erwärmte Auster mit schaumiger Beure Blanc, aromatische Wachtellebercreme zu rustikalem Brot, marinierter Weißfisch mit pikanter Gurke auf grünem Algensalat, kräftige Wachtelballotine auf würzigen Pilzgemüse mit Trüffel und zum Abschluss Ziegenkäse-Crème Brûlée. Dazu Champagner, Vino Verdhe, Rioja Reserva und zum Dessert einen Furmint aus dem Tokaji. „Not toooo bad“. Reizende Danksagung an Küche und Service, sie sind echt gerührt und wären sehr interessiert daran, eine Chaîne Estland mit zu begründen.

Hin und her, das Schönste am Abend ist dieses weiße Licht, das heute den Sonnenuntergang verschluckt hat, aber ungebrochen bis 23:30 h zu den riesigen Glasscheiben herein flimmert. Die Lichter der Stadt schimmern durch den Dunst, die letzte Finnlandfähre des Tages läuft mit Lichterketten behängt geräuschlos in den Hafen ein und unser Busfahrer bringt uns, nicht ohne kleines Murren ob der späten Stunde, sicher nach Hause.

4 -Samstag, 1.6.

Mit der Fähre geht’s heute Vormittag hinüber nach Helsinki, die direkt an der Küste gelegene Hauptstadt Finnlands. Vor 30 Jahren fanden auf dieser Strecke mit der „Estonia“ fast 850 Menschen einen kalten Tod in der tosenden Ostsee aber heute lacht, nach nächtlichem Gewitter, wieder die Sonne, was ja schon keiner Erwähnung mehr wert ist.

Der Bus fährt ohne uns in den Bauch der Fähre, wir checken zu Fuß ein. Sehr schick und modern ist der Terminal und die gesamte Abfertigung erfolgt elektronisch. Rollbänder transportieren die Gäste hinauf auf die Einstiegsebene. Kein Vergleich mit italienischen oder griechischen Inselabfertigungen. Die „Comfortlounge“ ist für uns reserviert, und auf durchschnittliche finnische Wintertemperaturen herunter gekühlt. Zunächst kontrollieren wir an Deck das Ablegemanöver und blicken zurück auf die Stadt, verabschieden uns von der Silhouette Tallinns, deren Türme im feinen Dunst verschwinden.

Komfortable und gemütliche Überfahrt, gut 80 km über den finnischen Meerbusen und zwei Stunden später laufen wir in Helsinki ein.

„Tervehdys“, Guten Tag in Finnland, dem Land der 1000 Seen. Man könnte auch einfach nur „Hey“ sagen, das würden die Schweden auch gleich verstehen. Schwedisch ist 2. Amtssprache und alle Schilder sind zweisprachig. Verständigung ist das eine, doch etwas Distanz ist schon gefragt in Helsinki. Besser niemanden gleich umarmen oder die Hand geben, besser nur freundlich nicken, sagt Katrin. Ja ok, machen wir. Überhaupt sind wir ziemlich hoch im Norden und hier wird, wie Berthold Brecht bereits sagte, „in zwei Sprachen geschwiegen“.

Zwei Drittel des Stadtgebiets ist Wasserfläche und die Nähe zum Hafen prägt die City. Vorbei an der alten Werft und zu Wohn- und Geschäftshäusern umgebauten Backsteinspeichern. Finnen leben draußen, zumindest in den Sommermonaten, ganz unabhängig vom Wetter und deswegen gibt es überall belebte Außenflächen der zahllosen Restaurants, Bars und Cafés. Ein Riesenrad dreht munter Runden, an endlosen Ständen wird dies und das verkauft. Eine riesige Eisbrecherflotte hat gerade Pause und wartet auf den nächsten Einsatz. Heute sind etliche Kreuzfahrtschiffe in der Stadt und es ist viele Gäste unterwegs am Wasser.

Überall gibt es öffentliche Saunen in der Stadt. Bei 5,6 Mio Einwohnern haben sich die Finnen über 3 Mio Saunen angeschafft. Birkenruten und Saunaholz kann man an jeder Tankstelle kaufen. Der Bus zwängt sich durch die kleine Uferstraße entlang des Segelhafens und unser Mittagsstopp gilt der
historischen Markthalle aus dem 19. Jahrhundert. In der „Vanha Kauppahalli“ bieten Händler in alten braunen Holzständen, die ein wenig an Beichtstühle erinnern, in zwei langen Straßen ihre typischen Landesprodukte an, alles was Meer und Wald hergibt. Hier findet man geräucherten Bärenschinken, feine Scheiben vom Rentier oder Elch, alles auch als Salami, sowie allerhand aus dem Wasser. Räucherfisch in allen nur erdenklichen Zubereitungformen und Farben, in Dosen oder in Tuben, Kaviar in jedweder Gewichtsklasse. Knäckebrote und Trockenfrüchte neben Marmeladen und getrockneten Kräutern. Wir sind begeistert. Wir quetschen uns in eine urige Eckkneipe, hocken eng an eng auf kleinen Stühlchen und stürzen uns auf das Angebot des Tages: feine Platte mit geräuchertem Lachs, irgendeinem roten Kaviar, und zwei sehr guten kleinen Salaten, der eine mit Crayfish, der andere mit Krabben. Anschließend bekommt jeder einen ordentlichen Schapfen köstlichster Fischsuppe hin gestellt. Ohne das ein oder andere Glas Weißwein kann man diese Fischmengen gar nicht bewältigen und so arbeiten wir uns gewissenhaft durch das Angebot. Herrlich!

Als wesentlicher Gestalter der im 19. Jahrhundert aufstrebenden Stadt wirkte in Helsinki der Architekt Carl Ludwig Engel, der mit Karl Friedrich Schinkel studiert hatte. Von Zar Alexander I. zum Architekten des Aufbaukomitees in Helsinki ernannt, gestaltete er alle Staatsgebäude der Zeit. Zudem waren eben weite Stadtgebiete den Flammen zum Opfer gefallen und so konnte er seine klaren Vorstellungen umsetzen.

Das Senatsgebäude, die Universität und über einer platzbreiten Freitreppe aufragend, die lutherische Nikolaikirche und daneben die Universitätsbibliothek. Alles in einem Gemisch aus nordisch-russischem Klassizismus erbaut. Wir schlendern ein wenig um die Kirche herum, bestaunen die riesengroßen weißen Figuren auf dem Vordach der Kirche, steigen über die breite Treppe wieder hinunter in die Stadt und lassen die Umgebung auf uns wirken.

Nach 600 Jahren unter schwedischer Krone wollten die Finnen frei werden und liebten alles Russische und den Zaren. Insbesondere Alexander II. wurde Förderer der eigenständigen Entwicklung Finnlands. Beendet wurde dies erst 1917 mit der Revolution und Ausrufung der finnischen Republik.

Dem finnischen Komponisten Jan Sibelius, der 1957 starb, wurde ein riesiges Denkmal gewidmet, das die finnische Bildhauerin Eila Hitunen anfertigte. 569 Stahlröhren bilden eine monumentale Skulptur, die an einen außergewöhnlichen Orgelprospekt erinnern. Angeblich streicht der Wind manchmal hindurch und bringt die Orgel zum Singen, wir können heute davon leider nichts hören.

Die moderne Felsenkirche, „Temppeliaukio-Kirkko“, ist eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der finnischen Hauptstadt. Im späten Expressionismus erbaut, gibt sie ein gutes Beispiel für die finnische Architektur aus den 60ger und 70ger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Die Brüder Timo und Tuomo Soulmalainen haben sie 1969 in einen Granitfelsen hinein gebaut. 180 Glasfenstern lassen Licht durchs Kupferdach. Unbehauener Fels zieht sich bis zur 13 m hohen Kuppelspitze, leise Musik schwebt im Raum, die Luft ist wie in jeder Grotte im Sommer etwas modrig.

Fassaden im Jugendstil, Ladengeschäfte berühmter nordischer Designer, aber wir haben keine Zeit mehr. Einchecken im Hotel Haven und kurze Pause. Wie bei einer richtigen VIP Reise erhalten wir schon wieder ein kleines Geschenk, das diskret an unserer Zimmertür baumelt. Unglaublich mit, wie viel Liebe zum Detail diese Reise vorbereitet wurde und jetzt durchgeführt wird. Vielen Dank dafür!

In einem wunderschönen Jugendstilgebäude befindet sich das Restaurant Kapelli, wo wir bereits zum Abendessen erwartet werden. Mit an unserem Tisch sitzt Johanna, Bailli Deléguée von Finnland. Nicht nur ein wiederum feines Essen, auch die Unterhaltung mit ihr ist recht interessant. Feines Roastbeef, schaumige Spargelsuppe, und der nur hier um dieseJahreszeit vorkommende und fangbare Weissfisch kommen auf die Teller, alles sehr fein, aber Stopp, ich kann nicht mehr. Das gibt’s hier nicht, ein duftender Beerenkuchen mit Vanilleeis muss auch noch probiert werden. Weine haben wir heute vom Bordeaux über das Kamptal und die Bourgogne getrunken und alles mit einem Moscato d’Asti abgerundet.

5 – Sonntag, 2.6.

„Huomio, Huomio“, „Achtung, Achtung“ Alarmglocken schrillen und Lautsprecher scheppern dreisprachig, wobei wir nur eine verstehen, durch Flure und Zimmer. „Wir haben eine Feuermeldung und checken gerade was los ist“. Ok, wir wundern uns zwar, machen aber erst mal gar nichts, auch weil wir eben gerade erst Zähne putzen. Ein Blick auf die Straße zeigt, „Feuerwehrmann Sam“ ist auch schon da und drückt, an das Feuerwehrfahrzeug gelehnt, in aller Ruhe auf seinem Handy herum. Na, so schlimm kann es ja dann nicht sein. Die Durchsagen laufen ununterbrochen. Doch nicht alle Hotelgäste sind so entspannt. Im Treppenhaus irrt ein Asiate in Panik umher und wird von Juliane auf dem Weg zum Frühstück durch eine Brandschutztüre ins Freie „gerettet“. Die Durchsagen schallen weiter dreisprachig ohne Pause durch die Räume. Ein Mitreisender wird von seiner Frau beschimpft, er solle den Fernseher gefälligst nicht so laut stellen in aller Herrgottsfrüh, andere schauen vorsichtshalber doch mal raus. Die Lage entspannt sich, alles gut, wir können wie geplant frühstücken und abreisen.

Richtung Osten verlassen wir Helsinki. Entlang der Insellandschaft der Schären fahren wir nach Kotka, eine an der Mündung des Flusses Kymijoki im Finnischen Meerbusen gelegene Hafenstadt. Unterwegs auf dem berühmten Königsweg, der alten Straße, die die damalige Hauptstadt Turku mit Russland verband.

Durch die geografische Lage zwischen Schweden und Russland wurde durch Jahrhunderte die Küche beeinflusst. „Im Norden wird mehr gekocht und im Osten mehr gebacken“, sagt Katrin. Sie erzählt von gefüllten Piroggen, einheimischem, eingesalzenen Gemüsen und in knusprigen Brotlaiben gebackenem Fisch. An Festtagen gibt es wohl schmeckende Aufläufe, in Schweden – etwa 6% der Bevölkerung sind Schweden – isst man Donnerstag möglichst immer Erbsensuppe und anschließend Pfannkuchen, ein süßer Malzpudding wird von allen geschätzt. Die Wälder sind reich an Pilz- und Beerenvorkommen und neben Preisel- und Blaubeeren ist vor allem die gelbe Moltebeere für Marmeladeverarbeitung wichtig, die dann zum Käse serviert wird.

Schweine- und Wildfleisch, also Ren, Elch und Bär, die Krebssaison ist im August und erfordert viel Schnaps zum Spülen der Kehlen. Fische aus Meer, Flüssen und Seen stehen täglich auf dem Speiseplan. Zudem gibt es im ganzen Land köstliche Brotsorten. Kartoffeln wachsen bis nach Lappland hinauf. Das Licht der langen Nächte ermöglicht sogar im hohen Norden in nur wenigen Monaten gute Ernteergebnisse. Die Tische in Finnland sind unabhängig von der Jahreszeit stets abwechslungsreich gedeckt.

Das Wetter hat heute kleinere Regenwolken im Gepäck, ist aber egal, da wir die Stadtrundfahrt durch die Hafen- und Industriestadt mit dem Bus unternehmen. Eine weiterere Führerin, Pirja-Llisa, eine Spezialistin für Kotka, wartet schon auf uns. Warum bleibt mir verborgen, so speziell scheinen mir die für eine Führung hier notwendigen Kenntnisse nicht zu sein. Dieses Städtchen verteilt sich auf zahlreiche Inseln. Wir starten am Museumshafen: das moderne Meereszentrum Vellamo zeigt zahlreiche Ausstellungen über die See und Seefahrtstraditionen der Region. Verschiedene Museen befinden sich entlang der Mole in interessanten Bauten berühmter Architekten, wie z.B. von Ilmari Lahdelma und zieren den eher schmucklosen Hafen. Die Fassade reflektiert mit ihren Formen und Materialen die Wellen der See. Ein großes Aquarium, das Holzbauzentrum, das auch heute noch Boote herstellt und repariert, auch wenn die Mehrzahl der Schiffe hier auch aus Glasfieber hergestellt wird.

Der Linden Boulevard verläuft durch das Zentrum der Stadt und dort stehen über ein Dutzend zeitgenössischer Skulpturen von finnischen und internationalen Künstlern und glitzern durch das Blätterdach der tief hängenden Äste. „Wo sind die Luchse?“ „Da, Da, schau“…. Vorbei ….

Vorbei auch am Sibeliuspark mit seinem hohem Springbrunnen, „Sommer in der Stadt“. Wandmalereien an Wänden, dicke Stauden von Pfingstrosen säumen den Park, sie sind kurz vor der Blüte und rosa Azaleen und Rhododendren leuchten durch den Park. Bunte Holzhäuschen stehen in allen Farben und mit weißen Fenstern hinter dicht an dicht blühenden Büschen und wir zwängen uns mit Bus an den Vorgärten vorbei.

Die Sonne lacht, die Temperatur ist sommerlich, also freuen wir uns an einer Bootsfahrt durch die Inselwelt der Schären. Etliche Leute baden bereits im Meer bei ca. 20 Grad. Während Bayern in Regenmassen versinkt, waren hier die vergangenen Tage ungewöhnlich warm und durch die Granitfelsen erwärmt sich das Meer am Ufer rasch. Herrlich, die Sonne strahlt und wir schippern über das Wasser, genießen die Seeluft und den Blick vom Wasser aufs Land.

Zurück auf dem Weg nach Helsinki kehren wir in dem riesigen Gutshof Haikon Kartano ein. Zwischen hohen Bäumen versteckt liegt im Park das prächtige Herrenhaus, vor dem ein cremefarbener Rolls Royce steht. In den vielfältigen räumlichen Möglichkeiten werden wir unter alten Holzdecken zum Mittagessen erwartet. Mhm, nicht draußen? Na gut….Ein sensationeller Fischteller, gefolgt von Rentier-Stew mit Kartoffelbrei und Preiselbeeren und einem feinem Vanilleeis mit Erdbeeren. An unserem Tisch wird ein frischer Cuvée aus Südtirol dazu getrunken, halb Riesling, halb Silvaner, sehr gut alles. Mit einem kurzen Blick in den Park beenden wir diese schöne Mittagspause, um weiter nach Porvoo, der zweitältesten Stadt Finnlands, zu fahren.

Das kleine Städtchen, seit dem 13. Jahrhundert ein bedeutendes Handelszentrum, gruppiert sich um den Dom, zieht sich den Hügel hinauf und am Fluss entlang. Bevor wir über unregelmäßiges Kopfsteinpflaster zum Domberg hinauf wandern, erhalten wir noch kurz Verhaltenshinweise vom örtlichen Tourismusverband: willkommen in Proovo, aber bitte die Privatsphäre der Bewohner wahren, ungefragt keine Menschen fotografieren, den Dom bitte nicht betreten wenn Türe geschlossen ist und bitte, nicht nur schauen, sondern auch etwas einkaufen! Genießen sie den Park aber nehmen sie den Müll wieder mit. Ok, machen wir.

Da wir mit der Zeit schon wieder knapp dran sind, spazieren wir rasch über die Brücke den Domberg hinauf und schauen von dort zu den rot gestrichenen Bootshäusern am Fluss Porvoonjoki. Unten fischen zwei Buben, einer hat nur eine Haselrute, ist aber erfolgreicher wie sein Kollege. Auf der anderen Seite führen Reiter Pferde in den Fluss und alle genießen das nachmittägliche Bad. Schnell, schnell , wir müssen rechtzeitig am Flughafen eintreffen. Also nehmen wir einfach einige kurze Provoo-Eindrücke mit und auf geht’s zum Endspurt.

Mit herzlichen Dankesworten für die professionelle und herzliche Reisebegleitung durch Katrin und die souverän gefahrenen Busstrecken durch Andres, fahren wir Helsinki entgegen.

Besonderer Dank gilt Kirsten und Hartmut Wolff, die nicht nur professionell, sondern mit großem persönlichen Engagement diese Reise vorbereitet und begleitet haben. Stets umsichtig, aufmerksam und überaus herzlich. Wir alle freuen uns auf den nächsten gemeinsamen Ausflug.

Katrin verabschiedete sich heute mit:„Ich wünsche ihnen Frieden und beste Gesundheit“.

In diesem Sinne

Susanne

Ich glaube mit Recht sagen zu können, dass nicht nur alle Teilnehmer unserer diesjährigen Chaine-Reise nach Tallinn und Helsinki in Erinnerungen schwelgen, wenn sie diesen wunderbaren, detailreichen, mit viel Herzblut und Hintergrund- und Geschichtswissen verfassten Reisebericht lesen, sondern auch die Daheimgebliebenen bekommen einen umfassenden Einblick in die beiden nordischen Städte und Regionen und vor allem in das liebevoll zusammengestellte Programm, das wir Orientalen vor Ort erlebt haben. Wir können uns nur vor unserer Susanne verneigen und bedanken uns vielmals für all die Muße und Zeit, die sie jeden Abend, jede Nacht aufgewendet hat, um uns damit zu beschenken. Danke, liebe Susanne, Deine Reise-Tagebücher sind inzwischen legendär!

Kirsten und Hartmut Wolff